Franz Hohler-Lesung am LG

Am 9. Februar hielt Franz Hohler in der Aula Rämibühl eine Lesung für die Erstklässler des Literargymnasiums. Über 70 Minuten erzählte er viele seiner Kurzgeschichten und beantwortete alle unsere Fragen.

Herr Hohler eröffnete die Lesung mit dem Gedicht «Ansprache von Königin Corona an das Volk», in welchem der Pandemiealltag aus Sicht des Coronavirus' geschildert wird.

 

Ansprache von Königin Corona an das Volk
von Franz Hohler

Nun, da alles fürs erste vorbei ist
kann ich euch sagen:
Was ihr hinter euch habt
war die Hauptprobe.

Ihr hättet sie nicht gemacht
wäret ihr nicht 
gezwungen worden dazu
von König Covid und mir.

Wir wollten den Stillstand üben
mit euch
und euch zeigen
wie ein anderes Leben
aussehen könnte.

Zugegeben
es war etwas hart
und auch uns wär es lieber gewesen
wir hätten euch nicht
die Folterinstrumente zu zeigen brauchen
doch hättet ihr ohne sie
und ohne die vielen Särge
Hand aufs Herz
gemerkt
dass es Ernst gilt?

Zugegeben
der Preis war hoch
doch er wird es auch sein
wenn ihr leben wollt
ohne die Erde zu schädigen.

Zugegeben
der ruhige Himmel
die klaren Meere
die leeren Autobahnen
die vollen Stauseen
kurz
der Lohn dafür
ist nicht gratis zu haben.

Zugegeben
die Kurzarbeiter 
und Arbeitslosen
könnten das anders sehen.

Ihr müsst euch Gedanken machen
wie ihr in Zukunft
die Arbeit anders verteilt
und das Geld
und wie sinnvoll es ist
das, was ihr braucht
am anderen Ende der Welt zu bestellen

Gedanken darüber auch
was ihr wirklich schuldig seid 
dem anderen Ende der Welt
wo es übler zugeht
als in den Hochburgen eurer Wellness.

Hat denn die Hauptprobe 
nicht gezeigt
ihr könnt es
wenn ihr euch an den Händen haltet
mit euren Nachbarn
die ihr eben erst kennen lerntet?

Ihr wart nicht zufrieden?
Eine schlechte Hauptprobe
sagen die Leute vom Theater
gibt eine gute Première.

Wir haben sonst auch noch
ein paar andere Boten
aus dem Corona-Clan
die wir schicken können

bevor das wirkliche Stück
gespielt wird
bei dem es um alles geht.

17. August 2020
www.umwelt-schweiz.ch

 

Bereits im Unterricht lasen wir Texte von Franz Hohler, aber es ist bezaubernd, sie direkt vom Autor in einem grossen Saal zu hören.

In «Der Weltuntergang» (1972) äussert er die Befürchtung, dass eben dieser – der Weltuntergang – bereits begonnen habe. Franz Hohler thematisierte nicht nur mit der eben erwähnten Ballade den Umweltschutz und den Klimawandel. Für uns war es augenöffnend und motivierend, wie er über sein Engagement im Klimaschutz sprach.

Franz Hohler wartete allerdings nicht nur mit düsteren Themen auf. Er schmückt seine Erzählungen mit viel Witz; dies dient wohl nicht nur der Unterhaltung, sondern auch dazu, unangenehme Themen anschaulicher zu machen. So tauchten wir in seine Gedankenwelt ein und erfuhren persönliche Dinge, die er in seinen Texten verarbeitet.

Wir wünschen den zukünftigen Erstklässlerinnen und Erstklässlern, dass Sie nächstes Jahr auch in den Genuss dieser Lesung kommen.

Alkyoni Strati, Anisha Graf, Emily Baumann und Moira Egloff (Klasse 1a)